Interview mit Angelika Post
Das Haus der Stille wurdet fast 34 Jahre lang von Angelika Post geleitet.
Ende 2018 hat sie die Hausleitung abgegeben und sich in den Ruhestand verabschiedet. Damit ging eine Ära zu Ende, mehr Informationen HIER. In einem Interview, dass anlässlich ihres 20-jährigen Dienstjubiläums 2005 geführt wurde, erläutert Angelika, wie sie ins Haus der Stille gefunden und wie sie die Zeit hier wahrgenommen hat.
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20 Jahre im Haus der Stille – Ein Jubiläum
Interview mit Angelika Post
Am 1. Mai 1985 begannen Angelika Post und Frank Wesendahl ihre Arbeit im Haus der Stille. Dieses Datum jährte sich im Mai 2005 zum 20. Mal. Im Gespräch mit Klaus-Dieter Mertineit lässt Angelika diese Zeit Revue passieren. Wo bist du aufgewachsen?
Ich komme aus der westlichsten Ecke Deutschlands, vom linken Niederrhein. Mein Geburtsort ist Viersen, eine Kleinstadt, die nur wenige Kilometer von der niederländischen Provinz Limburg entfernt liegt. Meine Elternhaus lag am Stadtrand mit einem großen Garten und vielen Haustieren. Dort habe ich eine harmonische Kindheit und Jugend verbracht. Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, fallen mir zuerst immer die Menschen ein, die einen breiten Dialekt sprechen – sozusagen mit ganz viel Karneval in der Stimme. Als ich des Hauses der Stille wegen, nach Norddeutschland zog, war das schon eine große Umstellung – vor allem auf sprachlicher Ebene.
Wie bist du mit dem Buddhismus in Berührung gekommen?
Voranschicken sollte man, dass ich meine Jugendzeit in den siebziger Jahren verbracht habe – einer Zeit, in der Yoga, Meditation und fernöstliche Religionen von der Jugendkultur entdeckt wurden. Auch auf mich haben damals vor allem Yoga und Meditation eine große Anziehungskraft ausgeübt. Mit dem Buddhismus kam ich ungefähr 1977 erstmals in Berührung. Damals hatte Frank, mein Mann, den Wehrdienst verweigert und sich dabei auf Ahimsa, das Gebot der Gewaltfreiheit berufen. Wir haben zusammen die entsprechenden Lehrreden des Buddha gelesen und Kontakte zu Buddhisten gesucht. Dabei hat mich ganz besonders ein Zenmönch aus Genf beeindruckt, den wir im Völkerkundemuseum in Köln bei einem Vortrag erlebten. Kurz danach entschloss ich mich, in seinem damaligen Kloster „Le Taille“ im französischen Ardeche an einem Sesshin teilzunehmen. Diese Schulung und die besondere Integrität des Mönchs haben mich nachhaltig beeindruckt.
Wie hast du davon erfahren, dass im Haus der Stille eine Hausleitung gesucht wurde?
Frank hospitierte damals für einige Monate im buddhistischen Zentrum in Scheibbs, einem buddhistischen Seminarhaus in Österreich. Dort hatte er sich mit Paul Köppler angefreundet. Durch Paul erfuhren wir dann auch, dass in Roseburg eine Hausleitung gesucht wurde. Es klappte dann zwar nicht sofort, aber ein Jahr später kam der Vorstand auf uns zu und fragte uns, ob wir die Hausleitung übernehmen wollen. Wir haben uns darüber sehr gefreut, weil wir solch eine Tätigkeit, in einem buddhistischen Meditationshaus zu leben und zu arbeiten, letztlich als unseren Traumjob angesehen haben. Nachdem wir davon erfahren hatten, haben wir uns mit dem damaligen Vorstand – der erste Vorsitzende war damals Georg von der Osten, die zweite Vorsitzende war Annemarie Buschbaum – an einer Autobahnraststätte kurz vor Hamburg getroffen und dort zusammen mit Hartwig Randau das Einstellungsgespräch geführt.
Das heißt, ihr hattet das Haus der Stille vorher noch gar nicht gesehen?
Ich war vorher nie hier gewesen. Erst nach dem Gespräch – vor unserem Umzug – sind wir hierher gefahren, und da habe ich es dann das erste Mal gesehen. 14 Tage später haben wir schon angefangen. Das ging Knall auf Fall. Das war einfach eine Entscheidung aus dem Bauch heraus. Es war ja auch eine große Veränderung vom Niederrhein hier hoch in den Norden. Den Norden habe ich immer mit Kälte verbunden, fern der Heimat. Aber ich war gerade 30 Jahre alt und zu allem bereit.
Was hat den Traumjob ausgemacht?
Zunächst, es war nichts Bürgerliches [lacht]. Das war zu der Zeit sowieso verpönt. Daneben war es sehr reizvoll inmitten eines so schönen Geländes zu leben. Meine Verbundenheit zur Natur konnte ich leben. Ganz wichtig natürlich auch die Inhalte, die hier angeboten werden. Wir haben gesehen, dass wir eine sinnvolle Tätigkeit ausüben - eine Tätigkeit, die uns auch selbst erfüllt.
Kannst du dich noch an die ersten Tage im Haus erinnern?
Damals lebte Kassapa noch in Roseburg und hat vor allem das Büro gemacht. Vor allem ihm ist es zu danken, dass unsere erste Zeit relativ entspannt und natürlich verlief. Kassapa kommt aus dem rechts reinischen Remscheid. Das liegt nicht weit weg von Viersen, und wir drei haben uns dank unserer gemeinsamen Wurzeln so manches Mal köstlich amüsiert. Rheinischer Frohsinn eben. Ich sollte für die Küche zuständig sein und wurde von Hertha Blödhorn und Frau Heidrich eingearbeitet. Frank war für das Gelände zuständig. Am 1. Mai 1985, unserem ersten Arbeitstag, lag ich mit hohem Fieber im Bett, während sich rundherum zahlreiche Menschen versammelt hatten, um das Vesakh-Fest zu feiern. Immer wenn ich aufstand, hatte ich Schwindelgefühle. Ich glaub, da wurde mir die Spontaneität der Entscheidung erst mal so richtig bewusst. Und es war doch ein bisschen viel. Der Umzug und die Umstellung auf die norddeutsche Mentalität. Mein erstes Seminar, das ich ohne große Einarbeitung eigenverantwortlich zu betreuen hatte, war gleich eine ausgebuchte Veranstaltung mit Ilse Middendorf. Hier erinnere ich im besonderen, dass die damaligen Teilnehmer ausgesprochen nett und freundlich auf mich – die ich riesiges Lampenfieber hatte – reagierten. Nach diesem Seminar sind Frank und ich an einem herrlichen Sonntagnachmittag mit dem Tretboot über den Möllner See gefahren und bekamen erste Eindrücke davon, wie schön die Umgebung von Roseburg ist. Als wir an diesem Tag nach Roseburg zurückkamen, lag das Haus der Stille in der Abendstimmung und über den Teichen, Wiesen und Wegen war eine eigentümliche Atmosphäre zu spüren. Etwas, dass mich sehr berührte und das ich bis heute immer wieder empfinde, wenn ich irgendwo „draußen in der Welt“ unterwegs gewesen bin und hierhin zurück komme. Es scheint, als würde zwischen dem Haus der Stille und der Welt ein Puffer liegen. Einerseits ist das natürlich herrlich und wunderbar. Andererseits ist das für mich, die ich immer hier lebe, natürlich manchmal auch schwierig. Etwa an langen Wintertagen, wenn man irgendwann mit seinem Latein am Ende ist und die Wege in die „Zivilisation“ sehr weit sind. Denn hier gibt es weit und breit keine besonderen Ablenkungen. Ich bin hier in hohem Maße auf mich selbst zurück geworfen. Das auszutarieren und damit umzugehen, ist Bestandteil meiner täglichen Übung. Manchmal scheint es, als hätte meine Seele sich mit Roseburg eine Bühne ausgesucht, die unablässig zum Wachstum herausfordert.
Wie sah das Haus der Stille damals aus?
Das damalige Haus der Stille hatte in vielen Bereichen den Charakter einer spirituellen Jugendherberge. In der Halle gab es Gasöfen. Um die herum war es dann sehr warm, weiter weg haben die Leute gefroren. Die Betten waren durchgelegen, im Büro stand eine Kochkiste. Während dort große Mengen Reis und Hirse vor sich hin garten, atmete alles rings herum den Charme einer einzigen großen Improvisation. Wir wurden unter der Maßgabe engagiert, die Zimmer zu entrümpeln und in vielen Bereichen eine Grundrenovierung vorzunehmen. Was damals wie eine einzigartige Aktion erschien, ist über die Jahre eine endlose Geschichte geworden. Immer wieder muss renoviert und am Zustand der Häuser gearbeitet werden. Letzten Winter wurde das Obergeschoss des Haupthauses umgebaut und für Wochen waren wieder einmal Staub und Dreck meine ständigen Begleiter.
Was waren aus deiner Sicht die wichtigsten Veränderungen in den letzten 20 Jahren?
Abgesehen von dem, was ich bereits angesprochen habe, und dem personellen Wechsel, der im Laufe der Zeit stattgefunden hat, kann man sagen: Das Essen ist sicherlich reichhaltiger geworden. Hier nehmen wir inzwischen auch mehr Rücksicht auf Unverträglichkeiten, Allergien und Diäten, die die Gäste einhalten müssen. 1990/91 wurden die Gasöfen in der Halle durch eine Heizung ersetzt. Die Halle wurde umgebaut, so dass das Lehrerzimmer ein Bad bekam. Bis dahin sind die Lehrer zum Duschen immer in unsere Wohnung gekommen. Im Rahmen einer großen Renovierung wurden die Fenster und die Heizung im Haupthaus erneuert. Zudem wurden die Bäder ausgebaut und modernisiert. Richtig gut geworden ist auch die Qualität der Betten, die im vorletzten Jahr alle erneuert wurden. Sieht man von der Umrandung der Teiche und der Aufschüttung der Dämme ab, dann hat sich im Gelände eigentlich nicht soviel verändert. Das ist ja das Schöne an unserem Gelände, dass nach Möglichkeit alles in einem naturbelassen Zustand erhalten wird.
Welche Veränderungen haben sich bei den Lehrern und Teilnehmern ergeben?
Früher gab es etwas weniger Kurse als heute; Inhalte und Struktur waren jedoch sehr ähnlich. Der Altersdurchschnitt der Teilnehmer war damals höher oder anders ausgedrückt: Das Publikum hat sich bis heute sehr verjüngt. Und die Seminarleiter haben sich gewandelt. Jedes Seminar hat seinen besonderen Charakter. In den Anfängen waren wir mit unserem Seminarhaus noch ziemlich allein auf weiter Flur. Für die Lehrer war klar, dass sie auch ins Haus der Stille kamen. Prabascha, Ayya Khema, Baker Roshi, Harrada Roshi, das waren Größen, die zumindest teilweise durch uns in Deutschland Fuß gefasst haben und dann ihre eigenen Zentren aufgebaut haben. Man kann durchaus sagen, dass das Haus der Stille eine Keimzelle für den Buddhismus in Deutschland war. Früher gab es ja nur die BGH mit dem kleinen Stadtzentrum und in Süddeutschland das Buddhistische Haus. Das war’s auch schon. In dieser Art war das Haus der Stille das erste in Deutschland. Deshalb kamen alle großen Lehrer hier her. Es lebten ja auch Mönche hier.
Was waren deine persönlichen Highlights?
Für mich war die Begegnung mit Baker Roshi sehr schön. Wir hatten einen sehr offenen Kontakt mit ihm und haben ihn – ebenso wie Rahula – auch in Amerika besucht. Ein Highlight war für mich, dass ich durch Klaus Lange und Dhiravamsa, Ilse Middendorf und später Ingrid von Hasslingen Meditation und Atemarbeit kennen lernen und vertiefen konnte. Dadurch, dass ich dazu jetzt auch privat die Ausbildung machen kann, ist ein Traum von mir in Erfüllung gegangen.
Was bedeutet es eigentlich, als Hausleitung im Haus der Stille zu arbeiten?
Die meisten Menschen, die das Haus der Stille besuchen, neigen dazu, meine Tätigkeit zu idealisieren. Dabei wird leicht vergessen, dass ich vor allem anderen auch nur ein Mensch bin, der seine Arbeit tut. Es ist eigentlich ein ganz alltäglicher Job, der teilweise sehr hektisch ist, der sehr viele Facetten hat, so dass man sehr flexibel sein muss. Man macht die ganze Hintergrundarbeit, die die Menschen brauchen, um zu leben (essen, schlafen, wohnen, es warm haben). Dazu gehört auch eine gewisse Betreuung, wenn mal jemand krank wird, Medikamente braucht oder sonst ein Anliegen hat. Man muss sich um alles kümmern, muss Organisationstalent haben und auch mal anpacken. Muss immer nett, freundlich und ansprechbar sein, man muss sich mit den Lehrern und den Gästen arrangieren, man muss mit dem Vorstand und den Mitarbeitern können. Es ist also ein unglaublich vielseitiger Job, der dadurch auch sehr abwechslungsreich und interessant ist. Das ist auch der Grund, weshalb ich den so gerne mache. Eintönigkeit oder ein hohes Maß an Geregeltheit, das wäre nichts für mich. Was die Arbeit manchmal schwierig macht, ist der Umstand der immerwährenden Präsenz. Es gibt so gut wie keine Privatsphäre, so dass der einzig wirkliche Rückzugsraum im eigenen Inneren liegt.
Seit Frank das Haus vor drei Jahren verlassen hat, bist du allein für die Hausleitung verantwortlich. Wie geht es dir damit?
Dass Frank ging, war für mich ein großer Schock. Aber dadurch, dass mich viele Menschen unterstützt haben – stellvertretend möchte ich Stephan Bloemertz, den Vorstand und meine Mitarbeiterinnen nennen – konnte ich diese Krise überwinden und in die neuen Aufgaben hineinwachsen. Inzwischen finde ich das toll. Ausgelöst durch ein privates Unglück habe ich so etwas wie Karriere gemacht. Eigentlich habe ich immer in der zweiten Reihe gestanden. Ich habe die Küche gemacht und Frank den Rest. Nach Franks Weggang habe ich gemerkt, dass ich Fähigkeiten habe, die ich mir zum Teil gar nicht zugetraut hätte, und dass ich das ganz gut auf die Reihe kriege.
Was sind deine persönlichen Zukunftspläne?
So lange ich kann und man mich will, möchte ich hier bleiben. Allerdings arbeite ich an einer ausgewogeneren Balance zwischen meiner Arbeit im Haus und meinen privaten Bedürfnissen, wie z.B. der Atemarbeit.
Interview mit Angelika Post
Am 1. Mai 1985 begannen Angelika Post und Frank Wesendahl ihre Arbeit im Haus der Stille. Dieses Datum jährte sich im Mai 2005 zum 20. Mal. Im Gespräch mit Klaus-Dieter Mertineit lässt Angelika diese Zeit Revue passieren. Wo bist du aufgewachsen?
Ich komme aus der westlichsten Ecke Deutschlands, vom linken Niederrhein. Mein Geburtsort ist Viersen, eine Kleinstadt, die nur wenige Kilometer von der niederländischen Provinz Limburg entfernt liegt. Meine Elternhaus lag am Stadtrand mit einem großen Garten und vielen Haustieren. Dort habe ich eine harmonische Kindheit und Jugend verbracht. Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, fallen mir zuerst immer die Menschen ein, die einen breiten Dialekt sprechen – sozusagen mit ganz viel Karneval in der Stimme. Als ich des Hauses der Stille wegen, nach Norddeutschland zog, war das schon eine große Umstellung – vor allem auf sprachlicher Ebene.
Wie bist du mit dem Buddhismus in Berührung gekommen?
Voranschicken sollte man, dass ich meine Jugendzeit in den siebziger Jahren verbracht habe – einer Zeit, in der Yoga, Meditation und fernöstliche Religionen von der Jugendkultur entdeckt wurden. Auch auf mich haben damals vor allem Yoga und Meditation eine große Anziehungskraft ausgeübt. Mit dem Buddhismus kam ich ungefähr 1977 erstmals in Berührung. Damals hatte Frank, mein Mann, den Wehrdienst verweigert und sich dabei auf Ahimsa, das Gebot der Gewaltfreiheit berufen. Wir haben zusammen die entsprechenden Lehrreden des Buddha gelesen und Kontakte zu Buddhisten gesucht. Dabei hat mich ganz besonders ein Zenmönch aus Genf beeindruckt, den wir im Völkerkundemuseum in Köln bei einem Vortrag erlebten. Kurz danach entschloss ich mich, in seinem damaligen Kloster „Le Taille“ im französischen Ardeche an einem Sesshin teilzunehmen. Diese Schulung und die besondere Integrität des Mönchs haben mich nachhaltig beeindruckt.
Wie hast du davon erfahren, dass im Haus der Stille eine Hausleitung gesucht wurde?
Frank hospitierte damals für einige Monate im buddhistischen Zentrum in Scheibbs, einem buddhistischen Seminarhaus in Österreich. Dort hatte er sich mit Paul Köppler angefreundet. Durch Paul erfuhren wir dann auch, dass in Roseburg eine Hausleitung gesucht wurde. Es klappte dann zwar nicht sofort, aber ein Jahr später kam der Vorstand auf uns zu und fragte uns, ob wir die Hausleitung übernehmen wollen. Wir haben uns darüber sehr gefreut, weil wir solch eine Tätigkeit, in einem buddhistischen Meditationshaus zu leben und zu arbeiten, letztlich als unseren Traumjob angesehen haben. Nachdem wir davon erfahren hatten, haben wir uns mit dem damaligen Vorstand – der erste Vorsitzende war damals Georg von der Osten, die zweite Vorsitzende war Annemarie Buschbaum – an einer Autobahnraststätte kurz vor Hamburg getroffen und dort zusammen mit Hartwig Randau das Einstellungsgespräch geführt.
Das heißt, ihr hattet das Haus der Stille vorher noch gar nicht gesehen?
Ich war vorher nie hier gewesen. Erst nach dem Gespräch – vor unserem Umzug – sind wir hierher gefahren, und da habe ich es dann das erste Mal gesehen. 14 Tage später haben wir schon angefangen. Das ging Knall auf Fall. Das war einfach eine Entscheidung aus dem Bauch heraus. Es war ja auch eine große Veränderung vom Niederrhein hier hoch in den Norden. Den Norden habe ich immer mit Kälte verbunden, fern der Heimat. Aber ich war gerade 30 Jahre alt und zu allem bereit.
Was hat den Traumjob ausgemacht?
Zunächst, es war nichts Bürgerliches [lacht]. Das war zu der Zeit sowieso verpönt. Daneben war es sehr reizvoll inmitten eines so schönen Geländes zu leben. Meine Verbundenheit zur Natur konnte ich leben. Ganz wichtig natürlich auch die Inhalte, die hier angeboten werden. Wir haben gesehen, dass wir eine sinnvolle Tätigkeit ausüben - eine Tätigkeit, die uns auch selbst erfüllt.
Kannst du dich noch an die ersten Tage im Haus erinnern?
Damals lebte Kassapa noch in Roseburg und hat vor allem das Büro gemacht. Vor allem ihm ist es zu danken, dass unsere erste Zeit relativ entspannt und natürlich verlief. Kassapa kommt aus dem rechts reinischen Remscheid. Das liegt nicht weit weg von Viersen, und wir drei haben uns dank unserer gemeinsamen Wurzeln so manches Mal köstlich amüsiert. Rheinischer Frohsinn eben. Ich sollte für die Küche zuständig sein und wurde von Hertha Blödhorn und Frau Heidrich eingearbeitet. Frank war für das Gelände zuständig. Am 1. Mai 1985, unserem ersten Arbeitstag, lag ich mit hohem Fieber im Bett, während sich rundherum zahlreiche Menschen versammelt hatten, um das Vesakh-Fest zu feiern. Immer wenn ich aufstand, hatte ich Schwindelgefühle. Ich glaub, da wurde mir die Spontaneität der Entscheidung erst mal so richtig bewusst. Und es war doch ein bisschen viel. Der Umzug und die Umstellung auf die norddeutsche Mentalität. Mein erstes Seminar, das ich ohne große Einarbeitung eigenverantwortlich zu betreuen hatte, war gleich eine ausgebuchte Veranstaltung mit Ilse Middendorf. Hier erinnere ich im besonderen, dass die damaligen Teilnehmer ausgesprochen nett und freundlich auf mich – die ich riesiges Lampenfieber hatte – reagierten. Nach diesem Seminar sind Frank und ich an einem herrlichen Sonntagnachmittag mit dem Tretboot über den Möllner See gefahren und bekamen erste Eindrücke davon, wie schön die Umgebung von Roseburg ist. Als wir an diesem Tag nach Roseburg zurückkamen, lag das Haus der Stille in der Abendstimmung und über den Teichen, Wiesen und Wegen war eine eigentümliche Atmosphäre zu spüren. Etwas, dass mich sehr berührte und das ich bis heute immer wieder empfinde, wenn ich irgendwo „draußen in der Welt“ unterwegs gewesen bin und hierhin zurück komme. Es scheint, als würde zwischen dem Haus der Stille und der Welt ein Puffer liegen. Einerseits ist das natürlich herrlich und wunderbar. Andererseits ist das für mich, die ich immer hier lebe, natürlich manchmal auch schwierig. Etwa an langen Wintertagen, wenn man irgendwann mit seinem Latein am Ende ist und die Wege in die „Zivilisation“ sehr weit sind. Denn hier gibt es weit und breit keine besonderen Ablenkungen. Ich bin hier in hohem Maße auf mich selbst zurück geworfen. Das auszutarieren und damit umzugehen, ist Bestandteil meiner täglichen Übung. Manchmal scheint es, als hätte meine Seele sich mit Roseburg eine Bühne ausgesucht, die unablässig zum Wachstum herausfordert.
Wie sah das Haus der Stille damals aus?
Das damalige Haus der Stille hatte in vielen Bereichen den Charakter einer spirituellen Jugendherberge. In der Halle gab es Gasöfen. Um die herum war es dann sehr warm, weiter weg haben die Leute gefroren. Die Betten waren durchgelegen, im Büro stand eine Kochkiste. Während dort große Mengen Reis und Hirse vor sich hin garten, atmete alles rings herum den Charme einer einzigen großen Improvisation. Wir wurden unter der Maßgabe engagiert, die Zimmer zu entrümpeln und in vielen Bereichen eine Grundrenovierung vorzunehmen. Was damals wie eine einzigartige Aktion erschien, ist über die Jahre eine endlose Geschichte geworden. Immer wieder muss renoviert und am Zustand der Häuser gearbeitet werden. Letzten Winter wurde das Obergeschoss des Haupthauses umgebaut und für Wochen waren wieder einmal Staub und Dreck meine ständigen Begleiter.
Was waren aus deiner Sicht die wichtigsten Veränderungen in den letzten 20 Jahren?
Abgesehen von dem, was ich bereits angesprochen habe, und dem personellen Wechsel, der im Laufe der Zeit stattgefunden hat, kann man sagen: Das Essen ist sicherlich reichhaltiger geworden. Hier nehmen wir inzwischen auch mehr Rücksicht auf Unverträglichkeiten, Allergien und Diäten, die die Gäste einhalten müssen. 1990/91 wurden die Gasöfen in der Halle durch eine Heizung ersetzt. Die Halle wurde umgebaut, so dass das Lehrerzimmer ein Bad bekam. Bis dahin sind die Lehrer zum Duschen immer in unsere Wohnung gekommen. Im Rahmen einer großen Renovierung wurden die Fenster und die Heizung im Haupthaus erneuert. Zudem wurden die Bäder ausgebaut und modernisiert. Richtig gut geworden ist auch die Qualität der Betten, die im vorletzten Jahr alle erneuert wurden. Sieht man von der Umrandung der Teiche und der Aufschüttung der Dämme ab, dann hat sich im Gelände eigentlich nicht soviel verändert. Das ist ja das Schöne an unserem Gelände, dass nach Möglichkeit alles in einem naturbelassen Zustand erhalten wird.
Welche Veränderungen haben sich bei den Lehrern und Teilnehmern ergeben?
Früher gab es etwas weniger Kurse als heute; Inhalte und Struktur waren jedoch sehr ähnlich. Der Altersdurchschnitt der Teilnehmer war damals höher oder anders ausgedrückt: Das Publikum hat sich bis heute sehr verjüngt. Und die Seminarleiter haben sich gewandelt. Jedes Seminar hat seinen besonderen Charakter. In den Anfängen waren wir mit unserem Seminarhaus noch ziemlich allein auf weiter Flur. Für die Lehrer war klar, dass sie auch ins Haus der Stille kamen. Prabascha, Ayya Khema, Baker Roshi, Harrada Roshi, das waren Größen, die zumindest teilweise durch uns in Deutschland Fuß gefasst haben und dann ihre eigenen Zentren aufgebaut haben. Man kann durchaus sagen, dass das Haus der Stille eine Keimzelle für den Buddhismus in Deutschland war. Früher gab es ja nur die BGH mit dem kleinen Stadtzentrum und in Süddeutschland das Buddhistische Haus. Das war’s auch schon. In dieser Art war das Haus der Stille das erste in Deutschland. Deshalb kamen alle großen Lehrer hier her. Es lebten ja auch Mönche hier.
Was waren deine persönlichen Highlights?
Für mich war die Begegnung mit Baker Roshi sehr schön. Wir hatten einen sehr offenen Kontakt mit ihm und haben ihn – ebenso wie Rahula – auch in Amerika besucht. Ein Highlight war für mich, dass ich durch Klaus Lange und Dhiravamsa, Ilse Middendorf und später Ingrid von Hasslingen Meditation und Atemarbeit kennen lernen und vertiefen konnte. Dadurch, dass ich dazu jetzt auch privat die Ausbildung machen kann, ist ein Traum von mir in Erfüllung gegangen.
Was bedeutet es eigentlich, als Hausleitung im Haus der Stille zu arbeiten?
Die meisten Menschen, die das Haus der Stille besuchen, neigen dazu, meine Tätigkeit zu idealisieren. Dabei wird leicht vergessen, dass ich vor allem anderen auch nur ein Mensch bin, der seine Arbeit tut. Es ist eigentlich ein ganz alltäglicher Job, der teilweise sehr hektisch ist, der sehr viele Facetten hat, so dass man sehr flexibel sein muss. Man macht die ganze Hintergrundarbeit, die die Menschen brauchen, um zu leben (essen, schlafen, wohnen, es warm haben). Dazu gehört auch eine gewisse Betreuung, wenn mal jemand krank wird, Medikamente braucht oder sonst ein Anliegen hat. Man muss sich um alles kümmern, muss Organisationstalent haben und auch mal anpacken. Muss immer nett, freundlich und ansprechbar sein, man muss sich mit den Lehrern und den Gästen arrangieren, man muss mit dem Vorstand und den Mitarbeitern können. Es ist also ein unglaublich vielseitiger Job, der dadurch auch sehr abwechslungsreich und interessant ist. Das ist auch der Grund, weshalb ich den so gerne mache. Eintönigkeit oder ein hohes Maß an Geregeltheit, das wäre nichts für mich. Was die Arbeit manchmal schwierig macht, ist der Umstand der immerwährenden Präsenz. Es gibt so gut wie keine Privatsphäre, so dass der einzig wirkliche Rückzugsraum im eigenen Inneren liegt.
Seit Frank das Haus vor drei Jahren verlassen hat, bist du allein für die Hausleitung verantwortlich. Wie geht es dir damit?
Dass Frank ging, war für mich ein großer Schock. Aber dadurch, dass mich viele Menschen unterstützt haben – stellvertretend möchte ich Stephan Bloemertz, den Vorstand und meine Mitarbeiterinnen nennen – konnte ich diese Krise überwinden und in die neuen Aufgaben hineinwachsen. Inzwischen finde ich das toll. Ausgelöst durch ein privates Unglück habe ich so etwas wie Karriere gemacht. Eigentlich habe ich immer in der zweiten Reihe gestanden. Ich habe die Küche gemacht und Frank den Rest. Nach Franks Weggang habe ich gemerkt, dass ich Fähigkeiten habe, die ich mir zum Teil gar nicht zugetraut hätte, und dass ich das ganz gut auf die Reihe kriege.
Was sind deine persönlichen Zukunftspläne?
So lange ich kann und man mich will, möchte ich hier bleiben. Allerdings arbeite ich an einer ausgewogeneren Balance zwischen meiner Arbeit im Haus und meinen privaten Bedürfnissen, wie z.B. der Atemarbeit.
Nach fast 34 Jahren Arbeit für das Haus der Stille ist Angelika in ihren wohlverdienten Ruhestand getreten. Wir danken ihr herzlich für ihr jahrzehntelanges großartiges Engagement! Weitere Informationen zu personellen Veränderungen lesen Sie HIER.
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